Campact ruft Irritationen auf

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In der Vergangenheit hat campact gute und wichtige Aktionen zum Thema Fracking durchgeführt. Hierzu gehört insbesondere die Unterschriften-aktion für ein Fracking-Verbot, bei der über 500.000 Menschen unter-zeichnet haben.

Doch seit der Verabschiedung des Pro-Fracking-Rechts im Bundestag führt das Verhalten von campact zu Irritationen. In einer Massen-Email vom 9.7.2016 präsentierte campact unter dem Betreff „Das hätten Sie von der SPD  nicht gedacht“, seine Beurteilung des neuen Fracking-Rechts und des Verhaltens der SPD. Hinzu kommen Beiträge zum Thema Fracking auf der campact-Homepage.

Campact vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Gesetzespaket um einen „ersten Teilerfolg“ handeln würde. Begründet wird dies unter anderem mit der Aussage „Nach der alten Rechtslage war Fracking grundsätzlich erlaubt – mit kaum vorhandenen Regeln zum Schutz von Umwelt und Gesundheit.“

Doch hier irrt campact. Zwar hat Bundes-Umweltministerin Barbara Hendricks immer wieder so argumentiert. Doch tatsächlich war die Rechtslage weitgehend ungeklärt. Letztinstanzliche Gerichtsurteile wären in etwa zehn Jahren zu erwarten gewesen. Daher haben die Gaskonzerne immer wieder gefordert, Rechtssicherheit durch eine Fracking-Gesetzgebung zu erhalten. In der unklaren rechtlichen Situation und angesichts faktischer Fracking-Moratorien wie in Nordrhein-Westfalen haben die Konzerne auf Fracking verzichtet. Die geforderte Rechtssicherheit haben sie nun jedoch erhalten – Fracking in Tight-Gas-Reservoirs ist zukünftig flächendeckend und in jeder Tiefe möglich. Ein ganzes Bundesland – Niedersachsen – wird damit den Fracking-Vorhaben der Gaskonzerne geopfert. Das ist kein Teilerfolg, sondern eine katastrophale Situation für die Betroffenen vor Ort.

Auch die Rolle der Umweltverträglichkeitsprüfung wird von campact überbewertet, wenn es heißt „Gut für den Widerstand ist, dass für Fracking-Vorhaben jetzt eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verpflichtend gemacht wird. Betroffene Bürger und Gemeinden haben so die Möglichkeit, Genehmigungsverfahren kritisch zu begleiten – und gegebenenfalls sogar zu verhindern.“ Durch eine UVP können aber keine zusätzlichen materiellen Anforderungen an ein Vorhaben gestellt werden, sodass es gerade keine größere Sicherheit für die Bevölkerung und die Umwelt geben wird. Konkrete Anforderungen wie die Festlegung von Sicherheitsabständen, den Aufbau eines technischen Regelwerks für die Gasförderung, die Festlegung des Stands der Technik und der Sicherheitstechnik oder Maßnahmen zur Reduzierung von Auswirkungen des nicht bestimmungsgemäßen Betriebs wurden im Gesetzespaket nicht festgelegt. Damit werden weiterhin US-amerikanische Industrienormen Anwendung finden, die beispielsweise die bekannten Grundwasserkontaminationen nicht verhindern konnten. Das Gesetzespaket hat zudem die Rechte der Wasserbehörden beschnitten: So wurde der Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes für Fracking ausgehebelt, was auch in der Bundesratsdebatte vor wenigen Tagen eine Rolle spielte. Irritierend ist es daher, wenn campact davon spricht, dass Auflagen für das Fracking im Sandgestein verschärft wurden.

Und auch beim Fracking im Schiefergestein, Kohleflözgestein, Ton und Mergel ist die Situation nicht akzeptabel.

In Deutschland soll es vier Aufsuchungsbohrungen der Gasindustrie für unkonventionelle Lagerstätten im wissenschaftlichen Gewand geben. Dabei ist von der folgenden Zeitplanung auszugehen: Die Gasindustrie wird 18 Monate brauchen, um die technische Ausrüstung zu beschaffen und parallel die Bundesländer zu finden, in denen Forschungs-Fracking betrieben werden soll. Danach wird sie 18 Monate lang fracken und auswerten. Und danach wird die Gasindustrie zwei Jahre Lobby-Arbeit betreiben, um den Ausschluss von Schiefergasfracking aus dem Wasserhaushaltsgesetz, zu erreichen. Denn im Jahr 2021 soll dieser Ausschluss noch einmal vom Bundestag überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden. Wenn campact davon spricht, dass es fraglich sei, ob Exxon und Co. überhaupt Probebohrungen durchführen wollen, unterschätzt dies den langen Atem der Gaskonzerne.

Irritierend ist vor diesem Hintergrund das Lob von campact gegenüber der SPD. Wenn Campact ausführt: „Doch eine mutige Abgeordneten-Gruppe um die SPD-Verhandlungsführer Frank Schwabe und Matthias Miersch stellte sich quer“ und deren Einsatz für das im Eiltempo durchgepeitschte Fracking-Recht lobt, blendet dies wesentliche Teile des Geschehens aus.

Stop FrackingAm 15. Juni hatte Martin Bachmann, der Vorsitzende des WEG-Nachfolgers Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) versucht, mit seiner Ankündigung, das faktische Frackingmoratorium in Niedersachsen aufzukündigen, die Politik unter Druck zu setzen. Der niedersächsische SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies unterstütze den BVEG am gleichen Tag in einer Videobotschaft an den Verband und drohte, die rechtlichen Voraussetzungen für Fracking in Niedersachsen zu schaffen. Einen Tag später benutzte die SPD-Bundes-Umweltministerin Barbara Hendricks dies als Steilvorlage, um ihr bisher nicht durchsetzbares Pro-Fracking-Recht in die Debatte zu werfen. Im Rahmen dieser Inszenierung wurde schnell klar, dass es um Rechtssicherheit für Fracking-Vorhaben der Gasindustrie und nicht um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ging. Genau diesen Forderungen sind die SPD-Abgeordneten nachgekommen, wobei Mathias Miersch als  erster SPD-Redner im Bundestag beim Tagesordnungspunkt zur Fracking-Gesetzgebung die Rolle übernommen hat, das Fracking-Recht schön zu reden. Das ist kein Stoff für einen Heldenepos. Vielmehr hat die SPD den Gaskonzernen genau das gegeben, was sie haben wollten.

Irritierend ist auch, wenn in der campact-Massenmail zur Analyse des Fracking-Rechts nicht auf die Originalunterlagen von Bundestag und Bundesrat Bezug genommen wird, sondern auf einen tendenziösen und verzerrenden taz-Artikel von Malte Kreutzfeldt vom 21.6.2016 („Ein gelungener Kompromiss“). Genau dieser Artikel wird in einer Rechtfertigungskampagne der SPD zu ihrem Abstimmungsverhalten im Bundestag immer wieder zentral herangezogen.

Irritierend ist zudem, wenn campact als Empfänger von Petitionen gegen Fracking auswählt. Petitionen sind Eingaben an staatliche Stellen wie Behörden oder Volksvertretungen. Wenn campact in der ersten Julihälfte dem BVEG eine Petition gegen Fracking mit Unterschriftenlisten überreicht, wird dem Lobbyverband einerseits eine quasistaatliche Befugnis zugestanden. Und andererseits wird Druck von der Politik genommen. Gerade in Niedersachsen muss die rot-grüne Landesregierung Farbe bekennen und eine Kehrtwende bei ihrer Fracking-Politik vornehmen.

Campact ist und bleibt ein wichtiger Kooperationspartner sozialer Bewegungen. Doch es wäre zu begrüßen, wenn campact zukünftig vor der Abgabe öffentlicher Stellungnahmen auf die jeweiligen Zusammenschlüsse von Initiativen zugehen würde. Dies entspräche auch der Zielsetzung, sich in soziale Bewegungen einzubringen, als deren Teil campact sich versteht.

Quelle: Gegen Gasbohren

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